Greenjobs interviewt Timo Kaphengst

Die greenjobs GmbH, ein nachhaltiges Unternehmen mit Sitz in Potsdam, hat bei unserer aktuellen Aktienausgabe 20.000 Regionalwert-Aktien gezeichnet. Vorher hat sich der Geschäftsführer, Jan Strohschein, mit unserem Vorstand Timo Kaphengst unter anderem über unsere Vision, finanzielle Rendite, und was unsere Aktionär:innen antreibt, unterhalten. Das Gespräch haben wir aufgezeichnet.

Jan: Die Regionalwert AG Berlin-Brandenburg gibt bis zum 31.03.23 neue Aktien aus - auch wir haben schon gezeichnet. Aber erzähle doch erst einmal ein bisschen zum Hintergrund: Was macht die Regionalwert AG und warum?

Timo: Die Regionalwert AG versteht sich als Bürgeraktiengesellschaft. Unsere Vision ist es, dass Berlin und Brandenburg sich mit bio-regionalen Lebensmitteln weitgehend selbst versorgen. Das ist gut fürs Klima, steigert die regionale Wertschöpfung, sorgt für gute und ökologische Lebensmittel und erhöht vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen die Lebensmittelsicherheit.
Wir sammeln Kapital in Form von Aktien und investieren in die Betriebe, die für diese Vision stehen – vom Acker bis zum Teller, also in Landwirtschaft, Lebensmittelverarbeitung, Handel und Gemeinschaftsverpflegung.

Jan: Das klingt sehr spannend. Wie weit ist denn die Region von dieser Vision entfernt?

Timo: Leider sehr weit, deshalb müssen wir noch sehr viel tun. Laut dem Ernährungsrat bezieht Berlin momentan nur 15% seiner Lebensmittel aus dem Umland. Bei Biogemüse ist es am deutlichsten. In ganz Brandenburg werden auf nur 300 ha Biogemüse angebaut, das ist in etwa so viel Fläche wie das Tempelhofer Feld. Auch im Verarbeitungsbereich fehlt es an allen Ecken und Enden: Bio-Schlachtereien, Getreidemühlen, Lagerkapazitäten usw. Das sind alles Bereiche, in denen die Regionalwert AG verstärkt investieren will.

Jan: Und dafür macht ihr jetzt eine Kapitalerhöhung?

Timo: Ganz genau. Seit unserer Gründung 2018 haben wir insgesamt 3 Mio. Euro Grundkapital gebildet. Wir geben im Schnitt einmal im Jahr Aktien aus, um weiteres Kapital zu bilden und darüber mehr und auch größere Investitionen tätigen zu können. Denn die Ernährungswende braucht eben auch Kapital. Mittlerweile unterstützen uns über 1000 Aktionärinnen und Aktionäre, darunter auch einige Unternehmen.

Jan: Die Anleger:innen beteiligen sich bei euch nicht unbedingt mit dem Fokus auf eine finanzielle Rendite. Was treibt eure Aktionär:innen an?

Timo: Wir haben von Anfang an klargestellt, dass wir Rendite breiter verstehen als es normalerweise in der Finanzwelt üblich ist. Rendite bedeutet den Ertrag, den man für eine bestimmte Investition erhält, meistens auf ein Jahr gerechnet. Dieser Ertrag wird landläufig rein finanziell verstanden, das heißt, wie dieser zustande kommt, mit welchen Folgen er erwirtschaftet wird, spielt höchstens eine untergeordnete Rolle. Aus unserer Sicht ist das nicht zukunftsfähig. Wir berechnen die Rendite aus unseren Investitionen deshalb dreifach: ökonomisch, ökologisch und sozial. Das bedeutet auch, dass wir die finanzielle Rendite nicht auf Kosten der ökologischen und sozialen Werte steigern wollen.

Jan: Kannst Du das anhand eines Beispiels erklären?

Timo: Vereinfacht gesagt ist die finanzielle Rendite dann besonders hoch, wenn die Erträge oder Erlöse gesteigert und die Kosten geringer gehalten werden. In der konventionellen Landwirtschaft können mit Mineraldünger die Erträge vom Acker erhöht und damit die Umsätze gesteigert werden. Leider ist Mineraldünger sehr energieaufwändig in der Herstellung und schlecht für unsere Umwelt, vielerorts führt er zu Überdüngung und Rückgang der Biodiversität.
Ein anderes Beispiel: Ein Lebensmittelverarbeiter hat eine Maschinenausstattung für ein bestimmtes Produktionsvolumen, sagen wir für vegane Aufstriche. Um eine nennenswerte Rendite zu erwirtschaften, könnte er die Preise pro verkauftes Glas erhöhen, was am Markt oft nicht gut durchsetzbar ist, weil die Verbraucher:innen nur begrenzt Geld ausgeben wollen und der Einzelhandel deshalb nicht mehr an den Verarbeiter zahlen will. Alternativ kann er bei sich intern Kosten sparen. Da Personal in der Regel der höchste Kostenpunkt ist, bezahlt er entweder das Personal schlechter oder lässt seine Belegschaft mit mehr Druck mehr Schichten arbeiten – beides ist sozial unverträglich und für den Betrieb mit Risiken verbunden – denn Personal ist ein sehr wichtiger Betriebsfaktor geworden.

Jan: Und ihr achtet bei Euren Partnerbetrieben darauf, dass die ökologischen und sozialen Aspekte nicht untern Tisch fallen. Heißt das, dass die Anleger dann gänzlich auf eine finanzielle Dividende auf ihre Aktien verzichten müssen?

Timo: Nein. Es wird aber noch etwas dauern, denn wie vorher beschrieben betreiben wir mit unseren Investitionen auch eine Art Aufbauarbeit. Wir gründen mit jungen Menschen neue Unternehmen, wir ermöglichen Betriebsübernahmen in der Landwirtschaft, wir investieren in Lagerstätten oder Maschinen, die sich erst über eine gewisse Zeit rentieren im Sinne von auszahlen müssen. Und machen wir uns nichts vor, die Rahmenbedingungen für stark nachhaltig ausgerichtete Betriebe sind nach wie vor alles andere als günstig.

Jan: Meinst Du damit die Agrarsubventionen?

Timo: Nicht nur. Die Agrarsubventionen, die immer noch ganz überwiegend pauschal für landwirtschaftliche Fläche bezahlt werden, egal, wie darauf gewirtschaftet wird, begünstigen ganz bestimmt keine kleineren Betriebe, die es mit der Nachhaltigkeit ganz genau nehmen. Aber auch Betriebe, die vor allem regionale Produkte verarbeiten, befinden sich in einem ständigen Preiskampf mit Konkurrenten, die billig und ohne nennenswerte Standards von sonst wo ihre Rohstoffe einkaufen.

Jan: Wie könnte da gegengesteuert werden?

Timo: Indem regional wirtschaftende Betriebe direkt gefördert und damit im Wettbewerb begünstigt werden: mit langfristigen und risikoarmen Finanzierungsmodellen, guten Beratungen und Vernetzungsarbeit. Wo wir wieder bei der Regionalwert AG wären, denn genau an diesen Bedarfen setzen wir an. Wenn man so will, erfüllen wir als Wirtschaftsunternehmen ein Stückweit hoheitliche Aufgaben.

Jan: Wir beteiligen uns als greenjobs GmbH nun mit 20.000 Euro an der Regionalwert AG Berlin-Brandenburg. Wir machen das, weil wir unsere Jobbörse zwar bundesweit betreiben, als Unternehmen aber regional stark verwurzelt sind. Die regionale Landwirtschaft zu unterstützen gefällt uns sehr. Es passt für uns aus drei Aspekten: umweltverträglicher und wertschätzender Umgang mit Lebensmitteln, Unterstützung von Unternehmen „vor unserer Haustür” und nicht zuletzt wegen der entstehenden Jobperspektiven in Brandenburg.
Wir möchten, dass unser Unternehmen nicht nur Gewinn macht und eine gute Dienstleistung für Arbeitgeber und Jobsucher:innen erbringt. Wir möchten auch darüber hinaus einen gesellschaftlichen Impact haben. Das funktioniert aus unserer Sicht gut über eine Beteiligung an der Regionalwert AG.

Timo: Das freut uns sehr und ist für uns auch so etwas wie ein Auftakt. Denn wir wollen uns intensiver an Unternehmen wie Euch richten, die verantwortungsvoll mit ihren Gewinnen umgehen wollen. Wir denken, dass wir nach fast 5 Jahren seit der Gründung jetzt gut genug aufgestellt sind, um Unternehmen als Anleger etwas bieten zu können: Impact-Investment mit echter Nachhaltigkeitsbilanzierung, also kein Greenwashing. Und wenn wir das Investitionsvolumen weiter steigern und in gute Projekte investieren, dann winkt den Anleger:innen auch eine grüne Dividende. Bis dahin gibt es einmal jährlich eine Ausschüttung in Naturalien. Auf der Hauptversammlung bekommen unser Aktionär:innen Produkte von unseren Partnerbetrieben zum Mitnehmen.

Jan: Unsere Kunden (die Arbeitgeber) sitzen in ganz Deutschland. Für viele ist die Regionalwert AG Berlin-Brandenburg „zu weit weg”. Gibt es noch andere Möglichkeiten, regionale Wertschöpfung nach eurem Modell zu unterstützen?

Timo: Auf jeden Fall, denn wir sind nicht allein. Regionalwert AGs gibt es mittlerweile 7 im deutschsprachigen Raum. Wir sind sehr gut untereinander über die Regionalwert Impuls vernetzt, unsere Dachgesellschaft. Auf deren Website findet man alle Informationen, die man braucht.

Jan: Dann lass uns mit einem Aufruf abschließen: Überlegen Sie als Unternehmen doch einmal, ob nicht eine Beteiligung an der Regionalwert AG etwas für Sie wäre. Gerade Unternehmen, die recht unbeschadet durch die letzten Krisenjahre gekommen sind, rufen wir dazu auf.

Timo: Da bin ich auf jeden Fall dabei! Bei uns gibt es noch bis zum 31.03. Aktien. Ich führe auch gerne Gespräche mit Unternehmen, die daran interessiert sind, bei uns Aktien zu zeichnen und bin entsprechend offen für Anfragen.

Jan:Ich danke dir für den Austausch und bin gespannt auf eure Aktivitäten in der Zukunft.

Timo: Vielen Dank für Euer Engagement und das nette Gespräch.