Johann, was macht ihr in der Landwirtschaft eigentlich im Winter?
„Einerseits ist der Winter in der Landwirtschaft die Zeit der Regenerierung, der Vorbereitung und der Planungen. Wie wollen wir uns ausrichten im kommenden Jahr? Welche Kulturen bauen wir wieder an? Welche waren nicht so erfolgreich? Und woran lag das? Was wächst gut? Was lässt sich verkaufen? Welche Auswirkungen haben sich verändernde Energiekosten, Löhne und Ersatzteilverfügbarkeiten? Welche Rolle spielen unsere Rinder und wie reagieren wir auf immer herausforderndere Dürrephänomene?
Andererseits ist der Winter die Zeit der Rückschau, die Erträge des vergangenen Jahres sind eingelagert und werden nun vermarktet. Unsere Ackerfrüchte wie Dinkel, Roggen, Sonnenblumensaat rollen vom Hof. Alle paar Wochen geht ein Rind zum örtlichen Schlachter.“
Wohin vermarktet ihr eure Produkte derzeit?
„Da wo es geht, vermarkten wir in die Region, so ist etwa die Berliner Bio-Bäckerei „Märkisches Landbrot“ ein wichtiger Partner in unserem Getreideanbau. Unser Kartoffelteam sortiert gerade Kartoffeln, die über den Berliner Bio-Großhandel Terra an Bioläden in der Region verkauft werden. Überregional findet sich ein Teil unseres Getreides in den Produkten der Firma Bauck wieder. Und unser Rindfleisch ist bundesweit online über meinekleinefarm.org erhältlich.“
Was waren denn besondere Herausforderungen im letzten Jahr?
„Die geopolitischen Ereignisse haben vieles auf den Kopf gestellt. Seit der Inflation ist in der Presse viel über den Einbruch der Bio-Branche geschrieben worden. Auch wir glaubten zwischenzeitig eine Kaufzurückhaltung bei unseren Kartoffeln gemerkt zu haben, die Grundnahrungsmittel scheinen aber am wenigsten betroffen zu sein. Stärker betreffen uns die gestiegenen Energiepreise durch den Dieselbedarf unserer Traktoren und den Stromverbrauch der neuen Kartoffelkühlung. Derartiges erlebt zurzeit jeder von uns. Wir lernen daraus, welche Risiken internationale Lieferketten bergen und, dass eine regionale Erzeugung die sicherere und sinnvollere Variante ist. Zu dieser Wahrheit gehört aber auch, dass Regionalität mitunter mehr kostet, vor allem in einer immer noch strukturschwachen Region wie Brandenburg. Daher wünschen wir uns von allen Seiten die Bereitschaft, unser Engagement für Regionalität und Bio-Landwirtschaft mitzutragen.
Du hast die klimatischen Widrigkeiten noch gar nicht erwähnt, spielten die auch eine Rolle.
"Absolut. Mit nur knapp 300 mm Niederschlag im letzten Jahr fehlt uns ein Drittel der insgesamt benötigten Menge. Dadurch mussten wir vor allem im Frühsommer um die Knollenbildung der Kartoffeln und die Fruchtansätze im Getreide bangen. Zwischen Mai und August fiel gar kein Regen. Bei der Getreideernte hatten wir mit Sandhosen zu kämpfen, die Kartoffelernte lief zwar zügig ab, aber die Knollen sind tendenziell zu klein. Unsere Weiden waren so verdorrt, dass unsere Rinder nur einen Monat Futter und wir früh zufüttern mussten, dank des ertragreichen Vorjahres haben unsere Futterbestände das ermöglicht. Oftmals waren in der Ferne Wald- und Flächenbrände zu sehen. Besorgniserregende Phänomene für alle, aber vor allem für Landwirte und Landwirtinnen, die wir so unmittelbar auf das Wetter und Klima angewiesen sind.“
Könnt ihr alldem etwas entgegensetzen?
„Wir setzen auf eine große Bandbreite an Kulturen, im letzten Jahr waren es 17. Sie reifen zu unterschiedlichen Zeiten und haben verschiedene Wasserbedarfe, so verteilen wir das Risiko. Ist es zu trocken im Frühjahr, hat vielleicht der Körnermais im späten Herbst eine Chance seinen Kolben auszubilden. Unsere Kartoffeln haben wir zu etwa einem Drittel bewässert, der Rest war ein Pokerspiel mit dem Wetter. Ganz verloren haben wir glücklicherweise nicht.“
Klingt schlüssig, aber auch nach viel zusätzlicher Arbeit, oder?
„Das ist die Kehrseite dieser Strategie: Wir sind mit diesem bunten Strauß an Kulturen das ganze Jahr beschäftigt. Von April bis November wird immer irgendwas geerntet. Davor und danach bringen unsere Kühe ihre Kälber zur Welt. Und irgendwo zwischendrin darf jeder auch mal Urlaub machen, kurz. Der Ausbau von Beregnungskapazität wird in den nächsten Jahren eine große Aufgabe und dabei wollen wir mit der wertvollen Ressource Wasser verantwortungsbewusst umgehen.“
Was motiviert dich und euch trotz aller Schwierigkeiten dabei zu bleiben?
„Das denkwürdige Jahr hinterlässt auch viele schöne Momente und Erlebnisse. Dank gut gewarteter und auch etwas neuer Technik, dank fast immer guter Stimmung und hoher Motivation bei allen Mitarbeitenden konnten wir das in unserer Hand liegende gut bewerkstelligen. Unsere Rinderherde ist weiter gewachsen. Rund 100 Tiere leben mittlerweile auf dem Beerfelder Hof. Vom Frühjahr bis zum späten Herbst sind sie auf den Weiden und bringen dort größtenteils selbstständig auch ihre Kälber zur Welt. Unsere Kühe sind ein wichtiges Bindeglied und in der Lage Kreisläufe zu schließen. Zum einen wandeln sie Gras, Heu, Stroh, Getreidereste, Klee und Futterkartoffeln in wertvollen Dünger und kostbares Fleisch um. Zum anderen beweiden sie Flächen, die für die Nahrungsmittelproduktion nicht genutzt werden können und leisten hier ihren Beitrag zum Naturschutz. Und neben all dem Nutzvollen sind Christina, Jenny, Piratin, Schlitzohr, Bulle Lutz und Co(w) auch einfach die guten Seelen unseres Betriebs.
In 2022 haben wir uns auch darüber gefreut, dass vier Jahre nach dem Einstieg in den Kartoffelanbau unser eigenes Kartoffellager fertig gestellt ist. Wir sind so in der Lage unsere Kartoffeln von der Ernte bis ins Frühjahr hinein richtig temperiert zu lagern. Damit werden viele unnötige Transporte ins Fremdlager eingespart. Diese kleinen Erfolge und Momente entfalten große Motivation.“
Vielen Dank für diese interessanten Einblicke in eure Arbeit und euren Hof!